
Erbrecht Polen: Ihr umfassender Leitfaden für grenzüberschreitende Erbfälle
Mit der zunehmenden Mobilität innerhalb der EU und den engen deutsch-polnischen Beziehungen entstehen immer häufiger grenzüberschreitende Erbfälle. Das Erbrecht Polen weist erhebliche Unterschiede zum deutschen System auf und erfordert spezielle Kenntnisse bei der Nachlassabwicklung. Als erfahrener Rechtsberater (Radca Prawny) mit umfassender Expertise im deutsch-polnischen Erbrecht begleite ich Sie durch alle Aspekte der internationalen Nachlassabwicklung.
Grundlagen des polnischen Erbrechts
Das polnische Erbrecht ist im Zivilgesetzbuch (Kodeks cywilny) von 1964 geregelt und wurde zuletzt 2015 grundlegend reformiert. Es folgt dem kontinentaleuropäischen Rechtssystem, unterscheidet sich aber in wesentlichen Punkten vom deutschen BGB. Das polnische Erbrecht kennt sowohl die gesetzliche Erbfolge als auch die gewillkürte Erbfolge durch Testament, wobei die Testierfreiheit durch Pflichtteile eingeschränkt wird.
Ein fundamentaler Unterschied zum deutschen Recht liegt im Erbschaftserwerb: In Polen erwirbt der Erbe das Vermögen nicht automatisch mit dem Erbfall, sondern muss die Erbschaft ausdrücklich annehmen oder ausschlagen. Diese Entscheidung muss binnen sechs Monaten nach Kenntnis vom Erbfall getroffen werden.
Gesetzliche Erbfolge in Polen
Erbordnungen nach polnischem Recht
Das polnische Erbrecht teilt die gesetzlichen Erben in drei Ordnungen ein, die sich vom deutschen Fünf-Ordnungen-System unterscheiden:
- Erste Ordnung: Abkömmlinge des Erblassers (Kinder, Enkel, Urenkel)
- Zweite Ordnung: Eltern und Geschwister des Erblassers sowie deren Abkömmlinge
- Dritte Ordnung: Großeltern und deren Abkömmlinge
Besonderheit des polnischen Erbrechts: Der überlebende Ehegatte erbt neben den Verwandten stets einen bestimmten Anteil. Bei Kindern erhält er die Hälfte, bei Erben der zweiten Ordnung zwei Drittel und bei Erben der dritten Ordnung drei Viertel des Nachlasses.
Besondere Rechte des überlebenden Ehegatten
Der überlebende Ehegatte genießt im polnischen Erbrecht besonderen Schutz. Er hat das Recht, die eheliche Wohnung und den Hausrat zu übernehmen, auch wenn diese einem anderen Erben zufallen würden. Dieses sogenannte "Vorzugsrecht" muss binnen eines Jahres nach dem Erbfall geltend gemacht werden.

Testamente nach polnischem Recht
Testamentsformen in Polen
Das polnische Recht kennt drei Hauptformen von Testamenten:
- Eigenhändiges Testament: Vollständig handschriftlich verfasst und unterschrieben
- Notarielles Testament: Vor einem polnischen Notar errichtet
- Testament vor Zeugen: Mündlich oder schriftlich vor zwei Zeugen erklärt
Wichtiger Hinweis für Deutsche: Deutsche Testamente werden in Polen grundsätzlich anerkannt, wenn sie nach deutschem Recht gültig errichtet wurden. Dennoch empfiehlt sich bei Vermögen in beiden Ländern oft ein ergänzendes polnisches Testament oder ein internationales Testament.
Testamentsvollstreckung und Nachlassgericht
Die Testamentsvollstreckung erfolgt in Polen durch das örtlich zuständige Nachlassgericht (sąd spadkowy). Anders als in Deutschland gibt es keine automatische Testamentseröffnung - das Testament muss dem Gericht vorgelegt werden. Der Testamentsvollstrecker (wykonawca testamentu) wird vom Erblasser bestimmt oder vom Gericht ernannt.
Pflichtteilsrecht in Polen
Pflichtteilsberechtigte Personen
Das polnische Pflichtteilsrecht schützt bestimmte nahe Angehörige vor Enterbung. Pflichtteilsberechtigt sind:
- Abkömmlinge des Erblassers
- Der überlebende Ehegatte
- Eltern des Erblassers (unter bestimmten Voraussetzungen)
Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Besonderheit: Pflichtteilsberechtigte können zwischen dem Pflichtteil in Geld und der tatsächlichen Erbschaft wählen, wenn der testamentarische Erbteil geringer als der Pflichtteil ist.
Pflichtteilsentziehung und -verwirkung
Das polnische Recht ermöglicht die Entziehung des Pflichtteils bei schweren Verfehlungen des Berechtigten, wie Straftaten gegen den Erblasser oder hartnäckige Vernachlässigung von Unterhaltspflichten. Die Entziehung muss ausdrücklich im Testament verfügt werden.
Internationale Erbfälle und EU-Erbrechtsverordnung
Anwendbares Recht bei grenzüberschreitenden Erbfällen
Seit 2015 gilt die EU-Erbrechtsverordnung, die grundsätzlich das Recht des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers zur Anwendung bringt. Deutsche mit Wohnsitz in Polen unterliegen daher polnischem Erbrecht, es sei denn, sie haben eine Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts getroffen.
Eine Rechtswahl ist durch letztwillige Verfügung möglich und sollte unbedingt in Erwägung gezogen werden, wenn das deutsche Erbrecht günstiger ist. Dies gilt insbesondere bei größeren Vermögen oder komplexen Familienverhältnissen.
Europäisches Nachlasszeugnis
Das Europäische Nachlasszeugnis (ENC) vereinfacht die grenzüberschreitende Nachlassabwicklung erheblich. Es wird in einem EU-Mitgliedstaat ausgestellt und in allen anderen Mitgliedstaaten anerkannt. Für deutsch-polnische Erbfälle ist es oft das wichtigste Instrument zur Legitimation der Erben.

Nachlassverfahren in Polen
Ablauf des polnischen Nachlassverfahrens
Das polnische Nachlassverfahren wird vom örtlich zuständigen Nachlassgericht durchgeführt und gliedert sich in mehrere Phasen:
- Eröffnung des Nachlassverfahrens auf Antrag
- Feststellung der Erben und ihrer Erbquoten
- Aufnahme des Nachlassinventars
- Begleichung der Nachlassverbindlichkeiten
- Ausstellung der Erbbescheinigung (stwierdzenie nabycia spadku)
Wichtiger Unterschied zu Deutschland: In Polen gibt es keine automatische Erbengemeinschaft. Die Erben müssen die Erbschaft ausdrücklich annehmen und das Nachlassverfahren aktiv betreiben.
Nachlassinventar und Schuldhaftung
Erben können die Erbschaft mit Inventarerrichtung annehmen, um ihre Haftung für Nachlassschulden zu begrenzen. Das Inventar muss binnen drei Monaten nach Annahme der Erbschaft beim Gericht beantragt werden. Ohne Inventar haften die Erben unbeschränkt für alle Schulden des Erblassers.
Besonderheiten bei Immobilien im Nachlass
Grundbucheintragungen und Eigentumsübertragung
Immobilien im polnischen Nachlass erfordern besondere Aufmerksamkeit. Die Eigentumsübertragung erfolgt automatisch mit dem Erbfall, jedoch muss die Grundbucheintragung korrigiert werden. Hierzu ist eine rechtskräftige Erbbescheinigung oder ein Europäisches Nachlasszeugnis erforderlich.
Bei landwirtschaftlichen Flächen gelten besondere Bestimmungen: Ausländische Erben benötigen unter Umständen eine Genehmigung der Agentur für Agrarimmobilien (ANR), die auch ein Vorkaufsrecht ausüben kann.
Bewertung von Nachlassimmobilien
Für die Erbschaftsteuer und eventuelle Pflichtteilsansprüche müssen Immobilien bewertet werden. Das polnische Recht kennt verschiedene Bewertungsverfahren, wobei meist der Verkehrswert durch einen vereidigten Sachverständigen ermittelt wird.
Erbschaftsteuer in Polen
Steuerpflicht und Steuerklassen
Die polnische Erbschaftsteuer (podatek od spadków i darowizn) unterteilt die Erben in drei Steuerklassen:
- Klasse I: Ehegatte, Kinder, Enkel, Eltern, Geschwister (Steuersätze: 3-7%)
- Klasse II: Andere Verwandte, Verschwägerte (Steuersätze: 7-12%)
- Klasse III: Fremde (Steuersätze: 12-20%)
Freibeträge: Ehegatten und Kinder haben einen Freibetrag von 9.637 Euro, andere nahe Verwandte von 7.276 Euro. Deutsche Erben können unter bestimmten Voraussetzungen eine Anrechnung der polnischen Steuer in Deutschland beantragen.
Steuerliche Optimierung bei internationalen Erbfällen
Bei größeren Vermögen sollte eine steuerliche Gestaltung erwogen werden. Möglichkeiten sind die Rechtswahl, die Gründung von Gesellschaften oder die Verlagerung des Wohnsitzes. Eine frühzeitige Beratung kann erhebliche Steuerersparnisse ermöglichen.
Grenzüberschreitende Besonderheiten
Anerkennung deutscher Erbscheine in Polen
Deutsche Erbscheine werden in Polen grundsätzlich anerkannt, müssen aber oft durch ein Europäisches Nachlasszeugnis ergänzt werden. Bei komplexeren Sachverhalten kann eine Apostillierung oder Übersetzung erforderlich sein.
Vollmachten und Vertretung
Deutsche Erben, die nicht nach Polen reisen können, sollten einen polnischen Anwalt bevollmächtigen. Die Vollmacht muss notariell beurkundet und mit einer Apostille versehen werden. Eine rechtzeitige Erteilung verhindert Verzögerungen im Nachlassverfahren.
Praktische Hinweise für deutsche Erblasser und Erben
Vorsorgemaßnahmen für deutsche Staatsangehörige
Deutsche mit Vermögen in Polen oder Wohnsitz in Polen sollten frühzeitig Vorkehrungen treffen:
- Prüfung einer Rechtswahl zugunsten deutschen Rechts
- Errichtung eines polnischen Testaments für polnisches Vermögen
- Berücksichtigung polnischer Pflichtteilsrechte
- Steuerliche Optimierung durch rechtzeitige Gestaltung
- Benennung eines polnischen Testamentsvollstreckers
Häufige Fehler und deren Vermeidung
Aus meiner Praxis als Rechtsberater im Erbrecht Polen kenne ich die typischen Problemfelder:
- Unkenntnis der Annahmefrist: Versäumung der sechsmonatigen Frist zur Erbschaftsannahme
- Fehlende Rechtswahl: Ungewollte Anwendung polnischen Rechts
- Unvollständige Testamente: Fehlende Berücksichtigung polnischen Vermögens
- Vernachlässigung der Erbschaftsteuer: Versäumung von Fristen und Meldepflichten
- Sprachbarrieren: Missverständnisse bei Gerichtsverfahren ohne Dolmetscher

Besondere Nachlassgegenstände
Bankkonten und Wertpapiere
Polnische Banken verlangen für die Freigabe von Konten eine rechtskräftige Erbbescheinigung oder ein Europäisches Nachlasszeugnis. Bei größeren Beträgen können zusätzliche Nachweise erforderlich sein. Wertpapierdepots unterliegen besonderen Regelungen und sollten schnell übertragen werden.
Unternehmensnachfolge
Die Vererbung von Unternehmen oder Unternehmensanteilen erfordert besondere Sorgfalt. Gesellschaftsverträge können Nachfolgeregelungen enthalten, die der erbrechtlichen Erbfolge vorgehen. Eine frühzeitige Nachfolgeplanung ist bei größeren Unternehmen unerlässlich.
Zeitliche Aspekte und Fristen
Wichtige Fristen im polnischen Erbrecht
Das polnische Erbrecht kennt verschiedene Fristen, deren Versäumung erhebliche Rechtsfolgen haben kann:
- 6 Monate: Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft
- 3 Monate: Beantragung der Inventarerrichtung
- 1 Jahr: Geltendmachung des Vorzugsrechts des Ehegatten
- 6 Monate: Anmeldung der Erbschaftsteuer
- 3 Jahre: Verjährung von Pflichtteilsansprüchen
Strategien bei knappen Fristen
Bei drohender Fristversäumung können verschiedene Maßnahmen ergriffen werden: Beantragung einer Fristverlängerung, einstweilige Erbschaftsannahme unter Vorbehalt oder Einschaltung eines polnischen Anwalts zur Fristwahrung.
Warum professionelle Erbrechtsberatung unverzichtbar ist
Das polnische Erbrecht ist komplex und weist erhebliche Unterschiede zum deutschen System auf. Internationale Erbfälle erfordern fundierte Kenntnisse beider Rechtssysteme sowie der EU-Erbrechtsverordnung. Steuerliche und verfahrensrechtliche Besonderheiten können erhebliche finanzielle Auswirkungen haben.
Als Ihr Rechtsberater für Erbrecht Polen begleite ich Sie durch alle Phasen der Nachlassabwicklung. Meine Leistungen umfassen die Testamentserstellung, Nachlassverfahren vor polnischen Gerichten, die Beantragung Europäischer Nachlasszeugnisse und die umfassende steuerliche Beratung bei grenzüberschreitenden Erbfällen.